Situationen und Ereignisse » Toni Areal | Zürich |
2015
Anlässlich der als Beschleunigung erlebten Ausdehnung der kapitalistischen Ökonomie des 21. Jahrhunderts von der klassisch definierten materiellen Ressource in die Bereiche des Wissens und der
sozialen Reproduktion, brechen wir unter immer dichter werden Terminkalendern, pausenlosen Weiterbildungs- und Optimierungsprogrammen zusammen. Infolge elektronischer Kommunikationsmittel und
sozialer Medien sind wir dabei allzeit erreichbar und unterstehen dem Zwang zur Dauerkommunikation. In der Produktion des "Selbst" befinden wir uns in einem Zustand der permanenten Evaluierung
und üben eine unentwegte Selbstkontrolle aus.
Die berufliche Karriere stellt zurzeit einen entscheidenden Faktor dar, wie die Bio-Ware Mensch innerhalb der Gesellschaft rezipiert wird. Gekoppelt an die immer aggressiver werdenden Vorstösse
der Privatwirtschaft, in lang erkämpfte sozialstaatliche Bereiche, verlieren Menschen ohne Arbeit jede gesellschaftliche Anerkennung und einige sogar die Grundlage ihrer Existenz. Da die
Lohnarbeit aufgrund dieser Tatsachen zum Lebensinhalt schlechthin geworden ist, dient sie längst nicht mehr nur zum Mittel der Existenzsicherung, sondern darüber hinaus als Mittel der
Disziplinierung.
Ausserdem hat das Vorantreiben der neoliberalen Programme der führenden Wirtschaftsmächte, die tiefgreifenden strukturellen Probleme (Finanz- und Haushaltskrisen, marodes Gesundheits- und
Rentensystem etc.) keineswegs gelöst, sondern vielmehr verschärft. Der zeitgenössische Ruf nach einer Rückkehr zur keynesianischen Form der Weltwirtschaft, lässt jedoch die Tatsachen ausser Acht,
dass die Bedingungen des Fordismus schon lange nicht mehr existieren. Es lässt sich kaum mehr leugnen, dass das einstige Versprechen von Wohlstand und Sicherheit durch Arbeit an Glaubwürdigkeit
verloren hat.
Durch den Fokus auf ein kontinuierliches Wachstum und der ständig verfügbaren Mittel der Re-Produktion, werden weder die erstarrten Formen der Arbeit, noch die durch sie versprochene
Glückseligmachung hinterfragt. Erschwerend kommt hinzu, dass in der heutigen Gesellschaft jeder Bereich des Lebens als verfügbares Potenzial begriffen wird, das es ohne Rücksicht auf Verluste
auszuwerten gilt, um einen ökonomischen Nutzen zu generieren. Von daher ist es kaum erstaunlich, dass die Musse zur bedrohten Ressource geworden ist.
Da wir nicht bereit sind unsere Ressourcen an erstarrte Systeme zu verschwenden, ist es an der Zeit, jenes, alle Lebensbereiche durchdringende Dogma der pausenlosen Reproduktion gründlich zu
hinterfragen. Indem wir bestimmten Erwartungen und Normen mit rhizomatischer Beweglichkeit entgegen trotzen, erschaffen wir im Hospiz der Faulheit eine temporäre autonome Zone, die es uns zwar
nicht ermöglicht dem leistungsindoktrinierten Spektakel für immer zu entkommen, aber dennoch einen Zwischen- und Spielraum entstehen lässt.
Montag 2. März 2015
Das Hospiz der Faulheit führt offiziell den blauen Montag wieder ein und fröhnt dem Absentismus. Das HDF bleibt deshalb geschlossen.
Dienstag 3. März 2015
ab 12:00
Mit einer feierlichen 24 Stunden Siesta eröffnet das Hospiz der Faulheit seine Tore. Kommt in Jogginghosen und bringt Decken und Kissen mit!
22:00 Filmscreening
Véronique und ihr Faulpelz
Véronique et son cancre F (1958), Laufzeit 18 Minuten, Komödie
von Eric Rohmer, mit Nicole Berger und Stella Dassas
Véronique betreut einen renitenten kleinen Jungen bei den Hausaufgaben. Die Zeit verrinnt, kleinste Gesten und Details im Raum markieren die Veränderungen in der Atmosphäre. Anfänglicher Unsicherheit folgt zunehmende Langeweile. Véronique empfindet für den kleinen Faulpelz und seine phlegmatischen Weigerung, seinen Tag zu beschreiben oder mathematische Wahrheiten zu akzeptieren, jedoch Sympathien.
Alexander, der Lebenskünstler
Alexandre le bienheureux F/e (1968), FR Laufzeit 100 Minuten, Komödie
von Yves Robert, mit Philippe Noiret und Françoise Brion
Der Film erzählt von Alexander, einem sich abrackernden Bauern, der durch den Tod seiner herrischen Frau, die Möglichkeit erhält, das Leben in vollen Zügen zu genießen. Doch der Dorfgemeinschaft gefällt Alexandres allzu freier Lebensstil nicht. Sie versucht ihn mit allerlei Mitteln vom Sinn der Arbeit zu überzeugen.
Mittwoch 4. März
12-13 Uhr
Mittagsschläfchen – Die Schauspielerin Anna-Katharina Diener liest Romanfragmente, Gedichte und Kurzgeschichten zum Thema Faulheit.
15-17 Uhr Beratung
Unsere Berater*innen werden mit Ihnen gemeinsam in einem persönlichen Gespräch eine Situationsanalyse erstellen, um eine Grundlage für die erfolgreiche Wiedereingliederung des Müssiggangs zu schaffen.
ab 19.00 Uhr
Zu Problematiken des Nachhaltigkeits- und Sharingdiskurses und möglichen Gegenaktualisierungen in der Faulheit
mit Christoph Brunner und Gerald Raunig
Donnerstag 5. März
12-13 Uhr
Mittagsschläfchen – Die Schauspielerin Anna-Katharina Diener liest Romanfragmente, Gedichte und Kurzgeschichten zum Thema Faulheit.
15-17 Uhr Beratung
Unsere Berater*innen werden mit Ihnen gemeinsam in einem persönlichen Gespräch eine Situationsanalyse erstellen, um eine Grundlage für die erfolgreiche Wiedereingliederung des Müssiggangs zu schaffen.
ab 20:00
liegend und wiegend mit der All-Star-Electronic-Pop-Band Universalfilter (Biggles, Kid Schurke,Tim von Tim&Puma Mimi)
Freier Eintritt mit Kollekte
Freitag 6. März
Ruhetag
Das Hospiz der Faulheit bleibt geschlossen.